Öko-soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise - Debatten zur Umwelt- und Sozialethik in der Katholischen Kirche in Bayern

Das Pariser Klimaabkommen hat festgelegt, dass der weltweite Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad gehalten bzw. auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. Dies gilt mittlerweile unter Experten als Mindestanforderung, um zu verhindern, dass weltweit Ökosysteme ins Kippen geraten und den Klimawandel derart beschleunigen, dass er nicht mehr aufhaltbar ist und seine Folgen die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen gefährden.

 

Mit diesem Papier wollen wir als KLB Bayern aus unserer Verantwortung für die Schöpfung („unser gemeinsames Haus Erde“) Anregungen geben, im je eigenen Lebensumfeld („individuell“), in der KLB und in den Organisationen und Verbänden, in denen wir vernetzt sind („institutionell“), aktiv zu werden und klimabewusst zu handeln. Neben diesem Charakter einer Selbstverpflichtung haben wir auf einer dritten Ebene auch Forderungen an die Gesellschaft als Ganzes bzw. an die nationale und internationale Politik formuliert („politisch/global“).

 

Auf allen drei Ebenen des Handelns – individuell, institutionell und politisch – gilt: Was muss ich/was müssen wir anfangen, beibehalten/verstärken, aufhören? Was für die einen ein „Anfangen“ ist, ist für die anderen ein „Beibehalten und Verstärken“ oder ein „Aufhören“.

 

Wichtig ist: Kleine Schritte machen ist besser, als keine Schritte zu machen!

individuell

• Eingeschliffene, klimaschädliche Formen der Mobilität in Frage stellen und beenden (Autonutzung zum Pendeln und für Kurzstrecken, Kleinstauto mit 16, Flugreisen, Kreuzfahrten, ...).

• Das Auto als letztes Mittel zur Fortbewegung denken und Alternativen für alle Wege etablieren (Fahrradfahren, Fahrgemeinschaften bilden, ÖPNV benutzen, …).

• Energiesparen als "Wert" erkennen, Routinen des Alltags auf ihren tatsächlichen Nutzen und den damit verbundenen Energie- und Umweltverbrauch hinterfragen und ggf. beenden (ungelesene Zeitschriften-Abos, Zimmertemperatur in wenig genutzten Räumen, Wäsche, ...).

• Aufhören, Dinge wegzuwerfen, ohne sie vorher reparieren zu lassen, und schon beim Einkauf auf Reparaturfreundlichkeit achten.

• Eine Wertschätzung für die Dinge (wieder neu) entdecken, die Anzahl verringern und Dinge des Alltags länger nutzen (Kleidung, Elektronik, ...).

• Überlegen, wo man Dinge gemeinsam mit anderen nutzen kann und sich trauen, es zumindest auszuprobieren. • Beim Einkaufen bewusste Entscheidungen für Bio, fair, regional, plastikfrei, klimafreundlich, ... treffen. Nur die Mengen einkaufen, die ich brauche. Alles was schon da ist, aufbrauchen.

• Den Fleischkonsum reduzieren und schmackhafte Alternativen entdecken.

• Zu einem zertifizierten Ökostromanbieter wechseln.

• Finanzielle Anlagen prüfen und ggf. in Klimaschutz- oder Erneuerbare-Energien-Projekte investieren oder sich beteiligen.

• Energieeffizient, flexibel nutzbar und in vernünftiger Größe bauen und modernisieren sowie standortoptimierte erneuerbare Energieversorgung einsetzen.

• Sich trauen, die genutzte Wohnfläche zu reduzieren, und beim Bauen schon an eine Nutzung in 20 Jahren denken.

• Eine Gruppe finden, die den Austausch ermöglicht, um mit- und voneinander zu lernen.

• Im eigenen Umfeld (Familie, Freunde, Nachbarschaft...) klimafreundliches Verhalten attraktiv machen.

institutionell

• Eine finanzielle Honorierung des größeren Zeitaufwands bei Anreise ohne Auto oder in Fahrgemeinschaften einführen. Wo dies rechtlich noch nicht möglich ist, Umsetzungsmöglichkeiten prüfen und entwickeln.

• Sitzungen und Veranstaltungen bewusst planen und abwägen (Präsenz, digital, Tagungsort öffentlich erreichbar?, Lademöglichkeit für E-Autos, Sitzungszeiten, Essen regional/Bio/vegetarisch, ...).

• Reisen kirchlicher Reiseveranstalter sollten in einem Radius von mindestens 1.000 km auf Flugreisen verzichten.

• Öko-faire Beschaffung von Materialien und Lebensmitteln etablieren.

• Ausstattung gemeinsam nutzen und einfache Zugänge dazu ermöglichen (z.B. Elektronik, Carsharing, ...).

• Entscheidungen zu klimafreundlichem Handeln kommunizieren und so werbend wirken.

• Aufhören, mit Feigenblattaktionen das generelle Fehlverhalten zu bedecken (z.B. Recyclingpapier nutzen, aber alles ausdrucken oder für Spendenaktionen unfaire oder klimaschädliche Produkte einsetzen; Mitgliederpost mit dem Auto ausfahren statt mit der Post zu schicken).

• Geldanlagen grundsätzlich ökologisch und klimafreundlich ausrichten.

• Beispielhafte Aktionen durchführen, die zum klimabewussten Handeln ermutigen.

• Klimaschutz und Schöpfungsspiritualität als fester Bestandteil im eigenen Bildungsprogramm ( z.B. Berechnung CO2 Fußabdruck).

• In den Gruppen Möglichkeiten schaffen, sich auszutauschen, voneinander zu lernen und die Sprach- und Argumentationsfähigkeit in Klimaschutzfragen zu verbessern. Gemeinsam politisch aktiv werden.

politisch/global

• Öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen und harmonisieren (Takt, Zuverlässigkeit, Zugänglichkeit, Preis), stärker fördern sowie zügig und massiv ausbauen. Dabei Stadt und Land mit ihren Besonderheiten in den Blick nehmen. Carsharing durch digitale Lösungen zur Buchung und nachbarschaftliches Autoteilen fördern.

• Innerorts durch bauliche und regulatorische Maßnahmen die gleichberechtigte Teilhabe aller Verkehrsteilnehmer fördern. Auf allen Straßen durch die Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten den Schadstoffausstoß reduzieren und mehr Sicherheit schaffen.

• Jegliche nachhaltige Form, Strom oder Wärme zu generieren, muss genutzt werden: regionale Lösungen, Genehmigungsverfahren vereinfachen, Aufhebung der 10-HBeschränkung für Windräder in Bayern, …

• Am Ausstieg aus der Kernenergie und aus der Kohle darf nicht gerüttelt werden. Gas als Brückentechnologie ist stark zu hinterfragen. Der Fokus muss – wie uns auch der UkraineKrieg lehrt - uneingeschränkt auf dem Ausbau erneuerbarer Energien liegen. Die Gelder müssen hier in die richtige Richtung gelenkt werden (EU-Taxonomie).

• Zeitnah eine massive, aber mit einem Sozialausgleich versehene, CO2- und Umweltbepreisung auf alle Produkte einführen, und damit den wahren Preis sichtbar machen (Vorschläge gibt es u.a. vom Institut für Klimafolgenforschung Potsdam und von der Borchert-Kommission).

• Es muss einfach sein, "richtig" einzukaufen: Klare und strengere rechtliche Vorgaben für alle Produkte (Verpackung, Tierwohl, ...) sowie eine nachvollziehbare und unabhängig kontrollierte Lebensmittelkennzeichnung.

• Die Förderung der Landwirtschaft muss deutlich mehr an ökologischen Kriterien ausgerichtet werden. Dabei muss für die Landwirte Planungssicherheit bestehen und ein gesichertes und gutes Einkommen gewährleistet sein.

• Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe mit guter Unterstützung (finanziell, personell).

• In der Landesplanung (LEP, Landesplanungsgesetz, ...) müssen die für den Klima- und Artenschutz notwendigen Transformationsprozesse eine größere Rolle spielen.

• Staatliche Förderung auf ihren öko-sozialen Nutzen überprüfen und ausrichten (z.B. fehlende Besteuerung von Flugbenzin).

• Mehr Ehrlichkeit in der politischen Diskussion. Unser Ziel erreichen wir nur mit einem „Weniger“. Dazu braucht es eine neue Definition von gutem Leben, das allen Bevölkerungsschichten zugänglich ist.

• Öko-faire Beschaffung in staatlichen und kommunalen Einrichtungen ermöglichen und stärken.

Schlusswort

Wir haben hier nur ein paar Beispiele genannt und Sie kennen bestimmt viele weitere Möglichkeiten. Wichtig ist:

 

• Einfach mal machen und einfach mal ausprobieren!

• "Sein" statt "haben" für sich entdecken und "weniger ist mehr" als Qualitätssteigerung fürs Leben wahrnehmen.

• Maß halten und genießen (auch in Gemeinschaft).

 

Über das sich selbst Aufmachen hinaus braucht es unser gemeinsam auf dem Weg sein und eine klare politische Haltung. Jesus hat uns vorgelebt, wie Umkehr und Gottes Reich schon hier und heute aussehen kann. Das lässt uns die Enge des Weiter so verlassen und mutig die Weite des Möglichen betreten. Wir gehen nicht allein.