Öko-soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise - Debatten zur Umwelt- und Sozialethik in der Katholischen Kirche in Bayern
Klimaschutz aus einem Guss für alle Handlungsfelder
Es gibt bereits genug fundierte Stellungnahmen und Forderungskataloge für kirchlichen Klimaschutz, daher soll an dieser Stelle nur noch einmal betont werden, dass es nicht an guten Ideen und Möglichkeiten, sondern an der klug koordinierten, flächendeckenden Umsetzung mangelt. Ein gemeinsames strategisches Ökomanagement der bayerischen Diözesen hat insbesondere die Aufgabe, die Gesamtheit der Handlungsfelder im Auge zu behalten, dies umfasst unter anderem:
Handlungsfeld: Immobilien und Gebäudemanagement
Über die herausragende Bedeutung dieses Handlungsfeldes besteht allgemeine Einigkeit. Zeitnah ist vor allem eine bessere, innovative Planung und eine Ausweitung der finanziellen Zuschüsse nötig, um in diesen Schwerpunktbereichen voranzukommen: Gebäudesanierung, digitale Steuerung des Energieverbrauchs, vermehrte Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien, neue Nutzungskonzepte und Stadtteilintegration von wenig genutzten Immobilien sowie Beteiligungen an kommunalen und genossenschaftlichen Energieerzeugungsanlagen. Ein schnell und einfach umzusetzender nächster Schritt mit entsprechender Signalwirkung wäre es, die Stromverträge sämtlicher kirchlicher Einrichtungen in Bayern bis Ende 2023 auf Ökostrom umzustellen.
Handlungsfeld: Flächenmanagement Wald- und Forstflächen sowie landwirtschaftliche Flächen
Im land- und forstwirtschaftlichen Flächenmanagement sind Klimaschutzmaßnahmen deutlich kostengünstiger möglich, doch ist in der Planungsphase ein höheres gesellschaftliches Konfliktpotential erkennbar. Auch hier besteht Einigkeit, dass alle land- und forstwirtschaftlichen Flächen im Kirchenbesitz langfristig „klimapositiv“ werden können und sollten5 – doch es gibt dringenden Diskussionsbedarf darüber, bis wann und unter welchen gesellschaftlichen und ökologischen Voraussetzungen dies erfolgen sollte. Zentrale Fragen nach dem Stellenwert der Biodiversität, nach Windrädern und Photovoltaik auf geeigneten kirchlichen Flächen, der sinnvollen Wiedervernässung von Mooren, der Aufforstung und der generellen Verpachtungspraxis müssen zeitnah adressiert werden. Wir fordern ein umsetzbares, verbindliches, mutiges Konzept und klare Beauftragungen bis Ende 2023. Angesichts des damit verbunden Konfliktpotentials gilt: Wenn zunächst wenigstens diejenigen kirchlichen Gemeinschaften und Organisationen, die unter geringerem finanziellen Druck als andere Akteure stehen und die sich in besonderer Weise auf gemeinsame Werte berufen können, einen Konsens für die Nutzung der ihnen anvertrauten Natur erzielen können, so könnte daraus die Chance einer bürgerlichen Dialogkultur erwachsen.
Handlungsfeld: Mobilität
Im Handlungsfeld Mobilität sollten kirchliche Gruppierungen vor allem als „verantwortungsvolle Konsumenten“ in Erscheinung treten und sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein: der Verzicht auf Kurzstreckenflüge, die bevorzugte Nutzung des ÖPNV auf Dienstreisen, Carsharing, Ladestationen vor Kirchen und anderen kirchlichen Parkplätzen, wo möglich Videokonferenzen statt Dienstreisen und vor allem eine selbstverständliche entsprechende Kompensation aller nicht vermeidbaren Dienstreisen via Klimakollekte – all dies sollte mittlerweile selbstverständlich sein.
Handlungsfeld: Beschaffungswesen (inkl. Gastronomie) und Abfallmanagement
Im Bereich des kirchlichen Beschaffungswesens sehen sämtliche Expertinnen und Experten großes Potential in der konsequenten Ausrichtung an sozial-ökologischen Kriterien und verweisen darauf, dass die Umstellung kirchlicher Küchen (in Kantinen, Altenheimen, Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten, Horten, Priesterseminaren, Orden, Pfarrhaushalten, Bildungshäusern, Tagungsstätten, Gaststätten...) auf saisonale Gerichte, weniger Fleisch, mehr Vollwertkost, bio-regio und Fair-Trade ohne größeren finanziellen Mehraufwand möglich ist, wenn die Verantwortlichen entsprechend geschult werden.6 Einige sind hier schon vorne dabei und können andere unterstützen. Ebenso gilt es bei Möbeln, Reinigungsmitteln, Spielmaterialien, Arbeitskleidung u.v.m. hinzuschauen. Reparieren, Instandhalten und Pflegen vor Neuanschaffen und Neubauen. Vor allem aber gilt: Schon bei der Beschaffung sollte an die Entsorgung gedacht werden. Und: weniger ist oft mehr. Eventuell sind hier auch Förderungen zu überdenken und auf bewährtes langfristiges Planen, Bauen und Wirtschaften, wie in den Orden über Jahrhunderte üblich, zurückzugreifen (nicht kurzfristig günstig bauen, sondern langfristig mit Blick auf praktikable evtl. auch mehrfache Nutzung, unter Berücksichtigung von Instandhaltungs- und Pflegekosten
Handlungsfeld: Finanzen und Geldanlagen
Im Bereich der Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien für die Vermögensverwaltung größerer kirchlicher Stiftungen und Vermögen sind in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte erzielt worden. Nun geht es darum, die vielen kleinen Kirchenstiftungen und Einzelvermögen der Pfarreien ebenfalls an ESG-Anlagekriterien7 auszurichten. Angesichts der Vielzahl an unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Forderungen (Divestments in nuklearer und fossiler Energieerzeugung, Best-in-Class-Ansatz, Shareholder Activism, gezielte Investments in erneuerbare Energien etc.) geht es vor allem darum, einen Mindestkonsens für alle kirchlichen Vermögen zu erzielen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die jeweils angewandten ESG-Kriterien konsequent weiterentwickelt und verbessert werden.
Handlungsfeld: Verkündigung und Bildung
Darüber hinaus hat Kirche einen wichtigen Auftrag in der Bewusstseinsbildung. Das Prinzip Nachhaltigkeit und ökologisch-soziale Gerechtigkeit muss ein Schwerpunktthema in Aus- und Fortbildung von pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden. Schöpfungstheologie und Schöpfungsspiritualität dürfen nicht länger ein Rand- und Schattendasein in Lehre und Verkündigung spielen, sondern müssen in die Mitte gerückt werden. Eine Sünde gegen die Natur ist eine Sünde gegen Gott, ebenso wie wir auch den fernen Nächsten schuldig sind, dass sie ein Leben in Würde führen können, was gerechte Löhne, gesunde Lebensräume und faire Arbeitsbedingungen einschließt. Für Christinnen und Christen muss es selbstverständlich werden, sich als Teil einer Schöpfung, eines Hauses, der Erde zu verstehen, die aktuell große Wunden, Artensterben und Zerstörung eines sensiblen Ökosystems erleiden muss.
Das Landeskomitee geht seinerseits die Selbstverpflichtung ein, die genannten Ziele auf allen Ebenen zu verfolgen und sichert den Diözesen auf dem skizzierten Weg volle Unterstützung der Kräfte des Laienapostolats zu, wo immer es hilft.
Von den Mitgliedern der Vollversammlung des Landeskomitees am 19. November 2022 einstimmig beschlossen.
5 Forderung der Christians for Future (CfF): alle land- und forstwirtschaftlichen Flächen in Kirchenbesitz sollen bis 2035 „klimapositiv“ sein.
6 Vgl. Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann. Studien der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik, Bonn 2021.
7 ESG steht für „Environment“, „Social“ und „Governance“.