Öko-soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise - Debatten zur Umwelt- und Sozialethik in der Katholischen Kirche in Bayern

Querschnittsaufgabe „Strategisches Ökomanagement“ aller bayerischen Diözesen

Wie alle Länder dieser Welt steht der Freistaat Bayern vor der entscheidenden Zukunftsherausforderung, möglichst zügig das Ziel einer klimaneutralen Gesellschaft und Wirtschaft zu verwirklichen. Zugleich sind wirtschaftliche und soziale Ungleichheit abzubauen, ungerechte Belastungen zu vermeiden/abzufedern und die Teilhabe aller/möglichst vieler zu ermöglichen sowie ohne starke soziale und ökonomische Verwerfungen das Ziel einer klimaneutralen Gesellschaft und Wirtschaft zu verwirklichen. Dies ist neben einer bedarfsgerechten Versorgung mit erneuerbaren Energien und der Schaffung sozialer Gerechtigkeit in diesen Zeiten einerseits und der Globalisierung auf der anderen Seite zentrale Herausforderung. Wenn die katholische Kirche in Bayern in diesem Prozess nicht nur „Mitläuferin“ und „Getriebene“, sondern aktiv Gestaltende sein will, muss sie in ihrem gesamten Verantwortungsbereich die Querschnittsaufgabe „Klimaneutralität“ zur gemeinsam verantworteten, klug koordinierten Chefsache machen und darüber hinaus über ihre Rolle als Arbeitgeberin, Immobilienbesitzerin, Beschafferin, aber auch Verkündigerin, Prophetin etc. die bereits erarbeiteten Maßnahmen zügig und transparent umsetzen sowie die nächsten Schritte entwickeln.

 

Mittlerweile kann jede bayerische Diözese angesichts der Frage nach ihrem Engagement für eine enkeltaugliche Zukunft auf eine ganze Reihe beeindruckender Leuchtturmprojekte verweisen – doch um dem Anspruch gerecht zu werden, entschlossen, transparent und solidarisch zu handeln2, muss das Zukunftsversprechen dieser Einzelbeispiele nun flächendeckend Realität werden. Dazu ist es zunächst nötig, sich möglichst bald (bis Ende 2023 ist dringend geboten und scheint realistisch) auf ein gemeinsames Ziel3 aller bayerischen Diözesen, orientiert an den internationalen Klimaschutzabkommen, und auf eindeutige und ressortübergreifende Verantwortlichkeiten zu verständigen. Für alle kirchlichen Organisationseinheiten muss Treibhausgasneutralität zur Pflichtaufgabe und Entscheidungsgrundlage werden. Dafür braucht es mindestens eine Vollzeitstelle4 eines bzw. einer „Umweltbeauftragten“ mit verpflichtender Einbindung in die Leitungs- und Entscheidungsgremien sowie ausreichender Unterstützung durch Bildungs-, Verwaltungs- und Sachbearbeitungskräfte in jeder Diözese. Um dieser Aufgabe nachzukommen, braucht es freien Zugang zu Informationen aller kirchlichen Organisationseinheiten in Bayern, zum Beispiel auch zu den Daten der katholischen Pfründepachtstelle. Der transparente Zugang zu Daten ist eine zwingende Voraussetzung für zielgerichtete Entscheidungen.

 

Wir fordern eine Selbstverpflichtung der bayerischen Bischöfe, für ihr Bistum ein Konzept in Auftrag zu geben, in dem ein klares Zieljahr für Treibhausgasneutralität formuliert wird, das unterlegt ist mit konkreten und überprüfbaren Schritten. Eine intensivere, institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Bistümern, unter Federführung der Umweltbeauftragten, mit zum Teil schon weit in der Thematik fortgeschrittenen kirchlichen Orden, Werken und Verbänden ist sicherzustellen und entsprechende Ressourcen sind vorrangig bereitzustellen sowie deren Projekte und Stellen weiterhin ausreichend zu fördern, damit voneinander und miteinander lernen und handeln möglich ist. Um das Erreichte sichtbar zu machen und noch weitere Handlungsmöglichkeiten zu erschließen ist ein regelmäßiger und öffentlich zugänglicher Bericht der Bistümer erforderlich.

 

Gemäß der Maxime „entschlossen, transparent und solidarisch handeln“ soll auch die ökumenische, interreligiöse und internationale Zusammenarbeit im Bereich des Klimaschutzes verstärkt und weiter professionalisiert werden. Die Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik verweist zurecht darauf, dass die katholische Kirche als Weltkirche ein enormes, aber vielerorts noch kaum genutztes Potential besitzt, Klimaschutz und globale Solidarität so zu verbinden, dass Klimaschutzprojekte nicht nur als „einseitige Hilfsmaßnahmen“ oder „attraktive Investments“, sondern als Partnerschaften auf Augenhöhe verwirklicht werden. Die Bistümer sollen sich auch diesem Ziel verpflichtet fühlen und beispielsweise ein fundiertes Konzept dafür vorlegen, inwieweit gemeinsame (und erwiesen langfristig ökologisch, sozial und ggf. auch ökonomisch wirksame) Klimaschutzprojekte mit Partnerdiözesen auch in der eigenen CO2-Bilanzierung angerechnet werden können.

2 Vgl. Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann. Studien der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik, Bonn 2021.

3 Wichtigste Frage ist dabei der nach einem Zielkorridor für die Erreichung von Klimaneutralität. Auch wenn nach dem neuesten Bericht des IPCC die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels damit vereinbar ist, dass globale Klimaneutralität erst nach 2050 erreicht wird, haben Länder des globalen Nordens aufgrund ihrer historischen Verantwortung und ihrer Möglichkeiten die Verpflichtung, dieses Ziel früher zu erreichen. So hat die Europäischen Union das Ziel Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Im aktuellen Klimaschutzgesetz verpflichtet sich Deutschland, dieses Ziel bis 2045 zu erreichen, der Freistaat Bayern hat sich das Ziel 2040 gesetzt, Christians for Future (CFF) halten 2030 für notwendig.

4 CFF fordern eine Vollzeitstelle pro 100.000 Kirchenmitglieder.