Öko-soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise - Debatten zur Umwelt- und Sozialethik in der Katholischen Kirche in Bayern

Der menschengemachte Klimawandel gehört zu den größten aktuellen Krisen der Menschheit. Wenn nicht entschiedene Maßnahmen unternommen werden, um die gegenwärtige Entwicklung zu bremsen, werden sich die Lebensumstände in weiten Teilen der Welt radikal verschlechtern, wovon vor allem ärmere Menschen und Länder im globalen Süden betroffen sein werden – und jetzt schon sind. Es besteht außerdem die Gefahr von nichtlinearen Rückkopplungseffekten1, die das Weltklima weiter beeinflussen und zu einer Hitzezeit führen und damit zu einer existentiellen Bedrohung der menschlichen Zivilisation werden können.

 

Noch ist es möglich, die Gefahr zu bannen. Dazu ist es aber notwendig, innerhalb der nächsten – maximal zehn – Jahre den Trend steigender Treibhausgasemissionen effektiv umzukehren, die vom Menschen verursachten Emissionen dauerhaft und jährlich signifikant zu senken und sie bis etwa 2050 netto auf Null zu reduzieren. Nur so kann das 2015 in Paris von 196 Staaten der Welt beschlossene Ziel, den „Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau“ zu halten, erreicht werden. Momentan steigen die weltweiten Emissionen jedoch weiter. Die bislang faktisch getroffenen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus. Nicht einmal die im Rahmen des Weltklimaabkommens von Staaten abgegebenen Selbstverpflichtungen reichen, um einen gefährlichen globalen Temperaturanstieg zu vermeiden. Auch Länder wie Deutschland und Frankreich bleiben hinter ihren Versprechungen zurück.

 

Deshalb ist es höchste Zeit, innerhalb Deutschlands und innerhalb der Europäischen Union endlich die politischen Entscheidungen zu treffen, die tatsächlich die geforderte Umsteuerung erreichen. Es geht um die konsequente Durchführung einer Klimapolitik, die zum einen den Klimawandel auf ein gerade noch vertretbares Mindestmaß beschränkt, ohne andere wichtige gesellschaftliche Ziele wie den sozialen Ausgleich und Vollbeschäftigung zu gefährden (Mitigation), und zum anderen denen hilft, die von den schon unvermeidbaren Konsequenzen des Klimawandels negativ betroffen sind, diese Folgen zu minimieren (Adaptation). Im Rahmen einer solchen Klimapolitik werden verschiedene Maßnahmen notwendig sein, zu denen beispielsweise der Abbau schädlicher Subventionen, eine klimafreundliche Umgestaltung des Steuersystems (beispielsweise auch der Kfz-Steuer), öffentliche Investitionen in die Grundlagenforschung zu umweltfreundlichen Technologien, Umweltbildung und der Aufbau einer klimafreundlichen Infrastruktur im Verkehrs- und Energiesektor gehören. Zur Finanzierung solcher Maßnahmen lohnt es sich, auch über innovative Mechanismen, wie zum Beispiel eine Klimaanleihe, nachzudenken. Zentrales Element einer konsequenten und kostengünstigen Klimapolitik ist aber ein einheitlicher und ausreichend hoher Preis für CO2-Emissionen. Das ist weitgehender Konsens unter Ökonomen und Klimaforschern. Eine Klimapolitik ohne eine solche einheitliche und ausreichend hohe Bepreisung von Emissionen wird entweder ihre Ziele nicht erreichen oder teurer sein. Auch eine Verschiebung einer solchen einheitlichen Bepreisung wird später nur zu höheren Kosten führen.

 

Sozialen Ausgleich schaffen

 

Einige der Argumente gegen eine solche Bepreisung sind ernst zu nehmen, aber für die dort angesprochenen Probleme gibt es Lösungen: In diesem Zusammenhang darf vor allem die ärmere Bevölkerung nicht vergessen werden, die um ihren ohnehin schon schmalen Geldbeutel fürchtet. Hier muss ein sozialer Ausgleich geschaffen werden. Unerwünschte soziale Konsequenzen können etwa dadurch vermieden werden, dass die generierten staatlichen Einnahmen zu einem guten Teil und in geeigneter Form an die Bürger zurückverteilt werden.

 

Die Akzeptanz wird erhöht, wenn die restlichen Mehreinnahmen nicht einfach dem allgemeinen Haushalt zugeführt werden, sondern tatsächlich dem Klimaschutz dienen. Dem Problem der Verlagerung der Emissionen in andere Länder kann durch gemeinsames Vorangehen innerhalb der Europäischen Union, durch Koordination mit anderen interessierten Nationen weltweit und, soweit notwendig, durch einen Grenzausgleich begegnet werden. Andere Argumente dagegen sind eher Ausdruck der Interessen bestimmter Sektoren, die ihren privilegierten Status bewahren wollen, oder auch von Bevölkerungsgruppen, die nicht bereit sind, für die negativen Umweltkonsequenzen ihrer Entscheidungen aufzukommen. Diesen Argumenten nachzugeben bedeutet, entweder auf eine effektive Bekämpfung des Klimawandels zu verzichten oder die von bestimmten Emittenten verursachten Kosten auf andere zu verlagern. Beides erhöht die Kosten der Bekämpfung des Klimawandels insgesamt.

 

Europäische Lösung gefordert

 

Für eine Bepreisung der CO2-Emissionen stehen grundsätzlich zwei Instrumente zur Verfügung: eine CO2-Steuer (bzw. -Abgabe) oder der Emissionshandel auf der Basis einer strikten Begrenzung der maximalen Emissionen. Mit dem europäischen Emissionshandel wurde der zweite Weg begangen. Da dieser Emissionshandel aber wichtige Sektoren ausschließt (Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft) und die Begrenzung der maximalen Emissionen unzureichend ist, wäre er entweder durch eine CO2-Steuer/-Abgabe oder eine Ausweitung des Emissionshandels hin zu einem einheitlichen Preis für CO2-Emissionen in allen Sektoren zu ergänzen.

 

Beide Instrumente haben ihre Vor- und Nachteile: Eine CO2-Steuer/-Abgabe könnte wahrscheinlich schneller eingeführt werden, verlangt aber eine regelmäßige und möglicherweise politisch schwierige Anpassung der Steuersätze. Die Ausweitung des Emissionshandels ermöglicht im Prinzip eine größere Zielgenauigkeit im Hinblick auf die Klimaziele, verlangt aber eventuell mehr Zeit für ihre Einführung. Das Entscheidende aber ist, dass zeitnah und effektiv einer dieser Wege tatsächlich beschritten wird. Das längerfristige Ziel sollte in beiden Fällen ein integriertes, zumindest europäisches System der CO2-Bepreisung sein.

 

In seiner ökosozialen Enzyklika Laudato si‘ (LS) macht Papst Franziskus unsere Verantwortung für die Schöpfung und unsere Mitmenschen deutlich. Er lädt „dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle“ (LS 14). Vor diesem Hintergrund fordert das Landeskomitee der Katholiken in Bayern deshalb alle politischen Kräfte in Bayern dazu auf, sich im Einklang mit ökonomischen Sachverstand, der christlichen Soziallehre und der Bayerischen Verfassung (vgl. Art. 3 und 141) für eine möglichst baldige und konsequente Einführung einer einheitlichen, sozial abgefederten und verursachergerechten CO2- Bepreisung einzusetzen. Im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen der Bekämpfung des Klimawandels wäre eine solche CO2-Bepreisung ein wichtiger Baustein einer ambitionierten Umweltpolitik und des Umbaus unseres Wirtschaftssystems hin zu einer ökosozialen Marktwirtschaft.

 

 

Vom Präsidium des Landeskomitees der Katholiken in Bayern am 10. September 2019 beschlossen.

Kommentare (1)

18.07.2022 / 11:54 Uhr

Bachmann

Vielen Dank für diese Zusammenstellung! Ich finde es gut, dass Beschlüsse auf diese Weise nicht "in Vergessenheit geraten", sondern in übersichtlicher Weise dargeboten werden. Wobei der Datum dieses Beschlusses (vor drei Jahren) doch daran erinnert: wir brauchen keine weiteren Erkenntnisse sondern endlich mutigere Taten!