Öko-soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise - Debatten zur Umwelt- und Sozialethik in der Katholischen Kirche in Bayern
Vorbemerkung
Jede Zeit hat ihre spezifischen Herausforderungen, um in Worte zu fassen, was die Weltgemeinschaft beschreibt, bedrückt oder zukunftsfähig macht.
Der Begriff Gemeinwohl ist in der Philosophie und Theologie seit langem beheimatet, aber seine Verwendung im globalen Kontext ist noch jung und lädt zur Befassung sowie zum Dialog darüber ein. Der adäquate und dafür neu geschaffene Begriff des „Weltgemeinwohls“ versucht die Anforderungen an eine Gesellschaft zusammenzufassen, die den Sozialstaatsprinzipien Subsidiarität, Solidarität, Personalität und Gerechtigkeit zu einer weltweiten Wirksamkeit verhelfen.1
In dieser Intention hat sich das Landeskomitee der Katholiken in Bayern auf der Frühjahrsvollversammlung 2016 dieser Herausforderung gestellt und zur Verbreitung in Kirche, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ein Hintergrundpapier erarbeitet.
Dieses Hintergrundpapier, das wie die Frühjahrsvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern am 22./23. April 2016 dem Aufruf von Papst Franziskus zum Dialog folgt, orientiert sich nicht zuletzt an der Enzyklika „Laudato Si‘“. Es wurde auf der Grundlage der genannten Literatur erstellt, erhebt aber keinen wissenschaftlichen Anspruch.
Nach dem Prinzip Sehen – Urteilen – Handeln gliedert es sich in drei Schritte:
I. Sehen: Das neoliberale Wirtschaftssystem
II. Urteilen: Weltgemeinwohl als Gegenentwurf
III. Handeln: am Beispiel ausgewählter Handlungsfelder
„Laudato Laudato Si‘“ Nr. 18: Die ständige Beschleunigung in den Veränderungen der Menschheit und des Planeten verbindet sich heute mit einer Intensivierung der Lebens- und Arbeitsrhythmen zu einem Phänomen, das einige als „rapidación“ bezeichnen. Wenn auch die Veränderung ein Teil der Dynamik der komplexen Systeme ist, steht doch die Geschwindigkeit, die das menschliche Handeln ihr heute aufzwingt, im Gegensatz zu der natürlichen Langsamkeit der biologischen Evolution. Hinzu kommt das Problem, dass die Ziele dieser schnellen und unablässigen Veränderung nicht unbedingt auf das Gemeinwohl und eine nachhaltige und ganzheitliche menschliche Entwicklung ausgerichtet sind. Die Veränderung ist etwas Wünschenswertes, wird aber beunruhigend, wenn sie sich in eine Verschlechterung der Welt und der Lebensqualität eines großen Teils der Menschheit verwandelt.
Beteiligt an der Erarbeitung der gesamten Zusammenstellung:
Dr. Karl Eder, Dr. Josef Fuchs, P. Dr. Andreas Gösele SJ, Eva-Maria Heerde-Hinojosa,
Mattias Kiefer, Alexandra Hofstätter, Dr. Andreas Netzler, Dr. Franz Prast
1 Er taucht inhaltlich, wenn auch nicht wörtlich, erstmals in der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ des II. Vatikanischen Konzils von 1965 auf, in der dieser Anspruch in Kapitel 26 in Rückbezug auf die Enzyklika „Mater et Magistra“ von Papst Johannes XXIII. (1961) formuliert wird (dort vor allem in Nr. 80 und 81). In jüngerer Zeit diente er als Titel eines Dossiers von Misereor und dem Institut für Gesellschaftspolitik an der Hochschule für Philosophie aus dem Jahr 2013/2014: „Weltgemeinwohl – Neue Ansätze zu Postwachstum und globaler Gerechtigkeit“ (verfügbar im Internet auf www.misereor.de; abgerufen im August 2016).