Öko-soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise - Debatten zur Umwelt- und Sozialethik in der Katholischen Kirche in Bayern

glaubwürdig zu sein

Wir leben alle mit unseren Lebenslügen, ja auch diejenigen, die sich aktiv für eine ökologisch und sozial verträgliche Gesellschaft einsetzen. Niemand ist perfekt und niemand kann im Alleingang das Weltklima retten, aber jeder Schritt ist ein wertvoller Beitrag für eine lebenswerte Welt im Sinn von Laudato si‘. Als Christen müssen wir uns an unseren Aussagen und Handlungen messen lassen. Zu Recht, denn wir dürfen den moralischen Zeigefinger nicht bloß gegen andere erheben, wir müssen vielmehr die eigene Lebensweise immer wieder selbstkritisch hinterfragen. Was wir von anderen verlangen – einen nachhaltigen Lebensstil mit weniger Konsum, Veränderungen in der eigenen Mobilität und all diese Dinge, die in diesen Zusammenhängen gerne genannt werden – all das müssen wir auch selbst leisten. Wir müssen das Fahrrad nehmen anstatt das Auto, immer wenn das möglich ist. Wir müssen unsere Lebensmittel ökologisch, regional und fair einkaufen und nicht beim Discounter nach den immer billigsten Schnäppchen jagen. Wir müssen Plastik reduzieren, nicht nur beim Pfarrfest, sondern auch im eigenen Haushalt. Wir müssen fair produzierte Kleidung kaufen und nicht das dreißigste T-Shirt für zwei Euro. Wir müssen unser Geld bei einer Bank mit ethischen Grundsätzen anlegen und sicherstellen, dass damit nicht indirekt Ausbeutung, Raubbau und Umweltzerstörung gefördert werden. Das alles kann unbequem sein. Das alles braucht Recherche und Zeit. Das alles geht nicht von heute auf morgen. Aber wir müssen anfangen – und zwar heute und nicht erst morgen.

 

Wenn wir als Christen glaubwürdig sein wollen – zumal in einer immer säkularer werdenden Gesellschaft – dann müssen wir im persönlichen Lebensstil bewusst Zeichen setzen und so leben, wie wir es von anderen auch erwarten. Die „not-in-my-backyard“-Mentalität hat ausgedient. Den Klimawandel stoppen und die Energiewende voranbringen wollen, gleichzeitig aber gegen den Ausbau erneuerbarer Energien in der eigenen Kommune zu sein und den Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff zu verbringen – nach Laudato si‘ geht das nicht mehr.

 

Papst Franziskus weiß um die menschlichen Schwächen. Er bleibt deshalb nicht bei der Forderung nach einem anderen Lebensstil stehen, sondern ruft zur ganzheitlichen Umkehr auf. Sie umfasst die ökologische, die soziale und die spirituelle Dimension. Dem nur an Konsum und Wachstum orientierten Lebensstil stellt er das „gute Leben“, das „Leben in Fülle“ gegenüber. Nicht der Verzicht steht im Vordergrund, sondern die Bereicherung des Lebens. Dadurch werden Verzichts- und Verbotsdebatten entkräftet.

 

Die katholische Kirche ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland, sie verfügt über Immobilien, landwirtschaftliche Flächen und Wälder. Daher hat die katholische Kirche auch eine besondere Verantwortung, nicht nur zu fordern und Forderungen nach einer ökolgisch-sozialen Umkehr zu unterstützen, sondern sie muss auch in ihren eigenen Bereichen danach handeln.

 

Daran werden ihre Glaubwürdigkeit und die an andere gestellten Forderungen gemessen. Hier geschieht schon viel Gutes – und vieles davon müsste vielleicht auch noch bekannter gemacht werden.

 

Aber es darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch für uns als Kirche noch „viel Luft nach oben“ ist. Das müssen wir als gemeinsame Aufgabe begreifen – hier und jetzt.