SWS Studie

3.3 Mangelnde politische Gestaltung und Kommunikation

Foto von Element5 Digital von Pexels

Die Anforderungen an Politikerinnen und Politiker waren schon immer komplex: Sie vertreten gleichzeitig die Interessen ihrer Wähler/innen, sind dem Gemeinwohl verpflichtet, müssen ihre Entscheidungen begründen und angemessen kommunizieren. Sie bewegen sich dabei innerhalb eines institutionellen Rahmens, der ihnen ihre Arbeit ermöglicht, sie aber auch bisweilen erschwert. Zu alledem sollen sie dafür Sorge tragen, diesen Ordnungsrahmen zeitgemäß weiterzuentwickeln. Globale Herausforderungen wie der Klimawandel machen diese Aufgaben noch komplexer und lassen menschliche Schwächen wie auch Unzulänglichkeiten des politischen Systems noch klarer hervortreten. Auch angesichts der begrenzten Reaktionszeit fragen viele, ob die Demokratie nicht zu langsam und träge ist, um die notwendigen Reformen in der gebotenen Eile und mit langfristiger Perspektive auf den Weg zu bringen.


In der Literatur werden traditionell die folgenden Hauptprobleme diskutiert, die allesamt zum Problem der „politischen Kurzatmigkeit“ beitragen: (1.) die Schwierigkeit, die mutmaßlichen Interessen der künftig (potenziell) Betroffenen zu definieren und angemessen in den aktuellen politischen Meinungsbildungsprozess einzubringen, (2.) Auswahl- und Qualifikationsprobleme des politischen Personals, welches nicht willig oder fähig ist, das Gemeinwohl zu befördern, (3.) ungünstige Anreizsysteme für das politische Personal sowie (4.) fehlender Gestaltungsspielraum durch die Fragmentierung von Entscheidungsgewalt.47 Daneben werden die Schwierigkeiten beklagt, (5.) alle Interessengruppen und Informationen rechtzeitig und geordnet in den politischen Entscheidungsprozess einzubinden und (6.) die notwendige Transparenz und Rechenschaftspflicht während des Diskussions- und Umsetzungsprozesses zu garantieren.48


In Krisenzeiten, in denen mehr Menschen Verluste befürchten – meist in Form von Einschränkungen des gewohnten Lebensstandards oder in Bezug auf Sicherheit und Planbarkeit der persönlichen Lebensgestaltung – gesellt sich eine weitere Herausforderung dazu: populistische Vereinfachung und Verleugnung. Der politische Populismus profitiert von diesen Verlustängsten und verstärkt sie deshalb gezielt, meist indem er die Verantwortung für komplexe Probleme und damit auch die Eigenverantwortung des/der Einzelnen an globale Feindbilder abschiebt und verlockend einfache, gern nationalistisch geprägte Antworten anbietet. Insbesondere Populismen beziehen ihre strategische Stärke aus der Fokussierung auf einige wenige Themen wie chauvinistische Identitätspolitik, exklusive Solidaritäten oder die Abgrenzung gegen das so genannte „Establishment“ in Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft oder Kirche.

„In Krisenzeiten, in denen mehr Menschen Verluste befürchten – meist in Form von Einschränkungen des gewohnten Lebensstandards oder in Bezug auf Sicherheit und Planbarkeit der persönlichen Lebensgestaltung – gesellt sich eine weitere Herausforderung dazu: populistische Vereinfachung und Verleugnung."

Da es zum Selbstverständnis nachhaltiger Politik gehört, alle Betroffenen einzubinden und deren Zweifeln und Bedenken angemessen Raum in der öffentlichen Debatte zu geben, stellt der Populismus die demokratische Debattenkultur vor große Herausforderungen. Hier ist es hilfreich, die widersprüchlichen Haltungen, z.B. des Rechtspopulismus in Bezug auf den Klimawandel, offenzulegen: „Leugner/innen“ bestreiten das Faktum anthropogener Klimaeffekte, „Zweifler/innen“ stellen meist die Tragfähigkeit bzw. Zuverlässigkeit wissenschaftlich-empirischer Evidenz in Frage.  „Zweifler/innen“ räumen also zwar den Klimawandel ein, äußern sich aber skeptisch gegenüber klimapolitischen Zielen und Instrumenten. Gemeinsam ist ihnen allen die Ablehnung multilateraler Vereinbarungen, auch wenn einzelne rechtspopulistische Bewegungen mittlerweile nationale Klimaschutz-Politiken fordern, entweder zur Sicherung der nationalen „Energie- und Ressourcen-Autarkie“, zum Erhalt der einheimischen Natur oder aus Furcht vor sogenannten „Klima-Flüchtlingen“.


Wenn es dem Populismus gelingt, die sozial-ökologischen Reformen als fremdgesteuerte Interessenpolitik, Überforderung des Einzelnen und Gefährdung kultureller Identität erscheinen zu lassen und die Transformation per se als ungerecht, gefährlich und eigentlich überflüssig darzustellen, wird es deutlich schwieriger, die Klimaziele zu erreichen. Eine erfolgreiche Transformationspolitik ist deshalb auch eine offen kommunizierende Zumutungspolitik, die sich darum bemüht, die mit ihr verbundenen Chancen und Lasten möglichst klar darzustellen und fair zu verteilen (vgl. Kapitel 4.2 und 4.3).