Energie aus Biomasse – Flexibilisierung von Kläranlagen

1.2 FLXsynErgy: Weiterentwicklung der Kläranlagen

Um ihren besonderen Beitrag für das gute Leben leisten und ihren gesetzlich definierten Auftrag erfüllen zu können, müssen Kläranlagen sich beständig weiterentwickeln:

 

·         Erstens müssen die Verfahren zur Abwasserbehandlung so weiterentwickelt und erweitert werden, dass die Wasserqualität auch durch „neue“ bzw. verstärkt ins Abwasser gelangende Stoffe (Mikroschadstoffe, Pharmazeutika, Nanopartikel, Mikroplastik etc.) nicht signifikant beeinträchtigt wird.

 

·         Zweitens bedarf es eines Paradigmenwechsels, sodass Abwasser und die durch die Abwasserbehandlung anfallenden Klärschlämme nicht nur als Problem, sondern als Ressource betrachtet und behandelt werden: Nicht nur das Wasser selbst, sondern auch viele im Abwasser befindlichen Stoffe oder auch die in ihnen gebundene Energie stellen wertvolle Ressourcen dar, die es durch angemessene Verfahren zu verwerten bzw. in Kreisläufe zurückzuführen, statt ungenutzt zu entsorgen gilt. Kläranlagen könnten auf diese Weise nicht „nur“ den klassischen und selbstverständlich weiterhin unabdingbaren Auftrag des Gewässerschutzes erfüllen, sondern auch einen wichtigen Beitrag zum Ressourcenschutz und zur Stabilisierung und Schließung wichtiger Stoffkreisläufe leisten.

 

Entsprechende Vorhaben sollten nicht allein nach Kriterien der technischen Machbarkeit und der ökonomischen Nützlichkeit betrachtet und gestaltet werden – so unerlässlich diese Perspektiven für ein realistisches Vorgehen natürlich sind. Für die Klärung, welche konkreten Optionen der Weiterentwicklung vorangetrieben werden sollten, muss auch die Frage gestellt werden, welche Vorhaben am besten geeignet sein, das gute Leben zu fördern. Insofern ist eine umwelt- wie sozialethische Perspektive geboten.

Welche Vorhaben sind am besten geeignet, das gute Leben zu fördern?

Das Projekt FLXsynErgy will in diesem Sinne zur Weiterentwicklung der Kläranlagen beitragen. Auch hier geht es darum, ein bislang nicht voll genutztes Potential besser zu nutzen: Aufgrund des derzeitigen Betriebes der Kläranlagen werden die Möglichkeiten zur Gewinnung von Energie aus dem durch Klärschlammbehandlung entstehendem Biogas nur begrenzt genutzt. FLYsynErgy untersucht, wie Kläranlagen durch eine flexible und vollenergetische Nutzung von Klärschlämmen samt biogener Rest- und Abfallstoffe als Co-Substrate nicht nur den eigenen Energieverbrauch effizienter gestalten können, sondern als Energiespeicher und Energieerzeuger einen Beitrag zur Energiewende leisten können.

Insofern damit eine ohnehin flächendeckend bestehende Infrastruktur für die dringend notwendige Energiewende genutzt würde, ist das Anliegen nicht nur in einer volkswirtschaftlichen Perspektive vernünftig. Vorausgesetzt, mögliche nicht-intendierte negative Folgewirkungen insbesondere auf Umweltmedien und Stoffkreisläufe oder auch andere Effekte (etwa eine Verdrängung ökologisch sinnvollerer Optionen) werden angemessen berücksichtigt (s. Abschnitt 3 und 4), kann FLXsnErgy Kläranlagen darin unterstützen, ihren spezifischen Beitrag zu einem guten Leben zu leisten und sogar zu intensivieren.

Kommentare (5)

26.01.2022 / 12:41 Uhr

Kodis Heilbronn

Moderne Systemanalyse für das Gute Leben

Sie werfen in Ihrem Beitrag sehr interessante Fragen auf, die oft übersehen werden. Vielleicht liegt das daran, dass sie schwer zu messen oder quantifzieren sind. Ein Lob auch an das Kläranlagen-Spiel, das daran erinnert, dass Wissenschaft auch Spass machen sollte. Als Lektüretipp: schauen Sie sich doch die empirische Szenariostudie #ELASTICITY der Innovationspartnerschaft »Innenstadt 2030+ | Future Public Space« aus der Fraunhofer-Initiative Morgenstadt an: https://www.muse.iao.fraunhofer.de/de/publikationen.html

26.01.2022 / 15:42 Uhr (> Antwort auf Kodis Heilbronn)

Dr. Stefan Einsiedel

Vielen Dank für das positive Feedback und für den interessanten Lektüre-Hinweis! Ihre Beschäftigung mit der zukunftsfähigen (Innen)stadt ist für uns durchaus interessant, auch wenn Kläranlagen ja in Randlage gebaut werden - aber es ist sehr interessant, wie Sie unterschiedliche Schlüsselfaktoren identifiziert haben, die auf die Zukunftsfähigkeit einer Innstadt einwirken; viele davon sind auch für die Diskussion über Kläranlagen relevant: Beteiligung, Lokale Wertschöpfung, Ökologische Verantwortung, Politischer Gestaltungswille, Resilienz angesichts starker Veränderungen... Lassen Sie uns darüber gerne im Gespräch bleiben!

01.02.2022 / 15:22 Uhr (> Antwort auf Dr. Stefan Einsiedel)

Baumeister

Gestatten Sie eine ganz grundsätzliche Anregung: Ihr Verweis auf die Studie hat mir die Augen dafür geöffnet, dass ästhetische Fragen zwar bei der architektonischen Gestaltung der Innenstädte eine große Rolle spielen, aber im Randbereich unserer Städte meist ignoriert werden. Wenn Sie also über die "Kläranlage der Zukunft" nachdenken wollen, dann denken und träumen Sie bitte groß: Bis auf wenige Ausnahmen sehen unsere Kläranlagen aus wie hässliche Industriebetriebe im Schmuddeleck unserer Städte - umso mehr freue ich mich, wenn ich von der Elbe aus die Türme der Hamburger Stadtentwässerung glitzern sehe oder nach München hineinfahre und nicht weiß was futuristischer erscheint: rechts die Allianz-Arena oder links die Faultürme der Kläranlage. Die "Kläranlage der Zunkunft" sollte auch architektonisch zeigen, dass sie eine zentrale Bedeutung für eine nachhaltige Gesellschaft hat. Sie sollte grüner und freundlicher aussehen, den Kreislauf des Lebens feiern, sichtbar sein und sichtbar machen, wie wichtig ein ressourcenschonender Umgang ist. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

02.03.2022 / 15:16 Uhr (> Antwort auf Baumeister)

BR

Da stimme ich Ihnen zu! Auf architektonisch interessante und schöne Innenstädte wird häufiger geachtet, auch um ein Lebensgefühl aber auch einen gewissen Lebensstandard zu repräsentieren. Je nachdem werden auch Bürgerbegehren, die sich bilden, in die Planung mit einbezogen, manchmal sogar explizit nach der Meinung von Bewohner:innen gefragt. Ich glaube hier liegt auch die Krux für Stadtrandbebauungen. Häufig wird bei Dingen die mit Industrie und Infrastruktur zu tun haben kein Wert auf Meinungen zur Ästhetik gelegt - dabei bin ich davon überzeugt, dass damit auch Leuchtturmprojekte und eine größere Akzeptanz geschaffen werden können. Abwasser und Energie gehören zu unserem modernen, zunehmend hoffentlich auch nachhaltigeren, Leben halt dazu... Was man nicht verbergen kann, das sollte man betonen - und dafür auch Bürger:innen mit einbeziehen!

10.03.2022 / 23:42 Uhr (> Antwort auf BR)

Baumeister

Ich habe ziemlich gelacht, als ich hier bei Ihnen den Kommentar gelesen habe "Ich würde lieber neben einer Kläranlage leben als neben einem russischen Oligarchen", denn das bringt das Problem ziemlich genau auf den Punkt: unsere innerstädtische Architektur beschönigt und verschleiert zunehmend den Zweck und Inhalt vieler Gebäude - eigentlich sollte ein Land in dem vor hundert Jahren das Bauhaus entstanden ist, auch in der Lage sein, seine Industriegebiete und Speckgürtel organischer und "ehrlicher" wirken zu lassen als das heute der Fall ist. Eine "Kläranlage der Zukunft" wäre jedenfalls ein auch architektonisch spannendes Projekt!